Gute Ideen gibt es um die Ecke. Wie aus einer Idee an einem heißen Sommerabend Realität wird.
Start-ups üben auf unseren Unternehmensgründer Dieter Heimlich eine Faszination aus. Da war es ein Leichtes ihn zu überzeugen, das pfälzische Start-up Unternehmen „Julie Soléy“ zu unterstützen. Und klar, es war auch für uns motivierend zu sehen, wie aus einer Skizze mithilfe von SketchUp Pro ein funktionsfähiger 3D-Prototyp wird. In einer umgebauten Neustadter Lagerhalle interviewten wir die Jungunternehmer und haben viel über die Herausforderungen erfahren ein Start-up in Deutschland zu gründen, aber auch über die Motivation und die Leidenschaft, die sie antreibt.
Interview Julie Soléy im Mai 2017 mit den Firmengründern:
Carsten Conrad (Finanzen und Controlling)
Daniel Szkutnik (Marketing und Vertrieb)
Patrick Rößler (F&E und Produktion)
Julia Englert (Einkauf und Logistik), nicht anwesend
Ihr Unternehmen heißt „Julie Soléy“. Da steckt das Wort „soleil“ für Sonne drin. Klingt nach einem guten Gefühl, Wärme…
Szkutnik: Ja, genau das wollen wir auch vermitteln. Die Sonne ist wohltuend, wenn die Haut richtig geschützt ist. Wir mussten das Wort „soleil“ etwas abwandeln und haben uns für das haitianische Wort für Sonne „Soléy“ entschieden. Darüber hinaus wurde unsere Mitgründerin Julia zur Namensgeberin.
Dann ist Sonne wohl ein Thema in Ihrem Unternehmen?
Conrad: Ja, bzw. der Schutz vor zu viel Sonne. Der gesundheitliche Aspekt spielt hierbei eine zentrale Rolle. Wir entwickeln daher eine Sonnenschutz-Dusche, welche dem Urlauber oder Badegast das lästige Eincremen abnimmt. Dort kann sich jeder vor dem Sonnenbad mit seiner bevorzugten Sonnencreme rundum und nahtlos einsprühen lassen. Die „Duschen“ sollen in Luxushotels, Beachclubs oder auf Luxuslinern stehen. Im Moment entwickeln wir unseren Prototyp, welchen wir zunächst mit SketchUp entworfen haben. Weiterhin konstruieren wir spezielle Bauteile in SketchUp und drucken diese mit unserem 3D-Drucker für den Einbau in unseren Prototyp. Bis nächstes Jahr soll unser Produkt marktreif sein.
Das ist ja eine ungewöhnliche Geschäftsidee, wie kamen Sie darauf?
Conrad: Eigentlich war es anfangs nur eine „Spielerei“, weil wir ein Thema für einen Businessplan brauchten. Drei von uns, Daniel, Julia und ich, haben an der Hochschule in Ludwigshafen unseren MBA gemacht. Es war Sommer, die Sonne brannte und irgendwann kam das Gespräch auf, wie lästig es ist, sich mit Sonnencreme einzureiben. Das müsste doch einfacher, irgendwie automatisiert gehen. Dann gab eins das andere und die Idee der Sonnenschutz-Dusche war geboren. Der Businessplan kam danach.
Businesspläne erstellen gehört zum MBA-Studium, aber es wurde ja dann mehr daraus. Hatten Sie Unterstützer?
Conrad: Unser Professor war von der Idee begeistert. Hätte er nicht so positiv reagiert, hätten wir die Sache vielleicht auch nicht so ernst genommen. Gerade am Anfang ist es wichtig, Unterstützer zu haben, die auch ehrliches Feedback geben können. Durch sein Netzwerk zu Investoren und Entwicklungspartnern brachte er uns ein großes Stück weiter. Er begleitet uns noch heute in strategischen Fragen und der Ausrichtung des Unternehmens am Markt.
Wie ging es dann weiter?
Szkutnik: Erst einmal haben wir diverse Pitches gemacht, um weiteres Feedback von Externen zu erhalten und Investoren zu finden. Ein für uns wichtiger Pitch war am 14. November 2016 in Freiburg. Dort bekamen wir Kontakt zu Business Angels und einem Kosmetikhersteller, der für unseren Vertrieb eine Schlüsselrolle spielen könnte. Wir machten den 2. Platz und waren mächtig stolz.
Sie sind ein vierköpfiges Gründer-Team. Welchen beruflichen Background haben Sie?
Rößler: Ich kam im November 2016 zum Team und decke die technische Seite ab. Nach meiner Ausbildung zum Mechatroniker habe ich 10 Jahre in einem großen Konzern in der Instandhaltung gearbeitet und eine Weiterbildung zum Elektrotechniker mit Schwerpunkt Leistungselektronik absolviert.
Szkutnik: Patrick ist unser „Daniel Düsentrieb“ und ist maßgeblich für die Entwicklung und technische Umsetzung all unserer Ideen zuständig. Ich selbst komme aus der Werbung und habe Julia und Carsten beim Masterstudium kennengelernt. Seit 10 Jahren arbeite ich in einer Kommunikationsagentur in Mannheim, in der ich als Geschäftsleiter tätig bin. Ich habe in 2016 dort meine Arbeitszeit reduziert, um die übrige Zeit für Julie Soléy da zu sein.
Conrad: Ich habe eine Ausbildung zum Bankkaufmann und jahrelang als Firmenkundenbetreuer „auf der anderen Seite des Schreibtischs“ gesessen, wenn es darum ging, Businesspläne für die Kreditvergaben zu prüfen. Ich weiß, auf was es hier ankommt, und das war dann echt durchaus hilfreich für unsere Unternehmensgründung.
Julia ist Kauffrau für Bürokommunikation bei einem Chemiekonzern. Sie arbeitet dort im Einkauf für Rohstoffe und hat mit mir und Daniel den MBA gemacht. In unserem Start-up kümmert sie sich, derzeit nebenberuflich, um den Kontakt zu Herstellern von Sonnencremes und wird später die Logistik übernehmen.
Studium ist oft Theorie. Was lernten Sie praktisch für Ihr späteres Start-Up?
Conrad: Gutes Zeitmanagement und ein gewisses Maß an Frustrationstoleranz. Insbesondere Letzteres konnten wir in den vergangenen Monaten oft gebrauchen. Wir mussten es abkönnen, dass Dinge nicht immer laufen oder potenzielle Investoren Kritik äußerten. Das Positive ist relevant, denn Resignation ist keine Alternative, wenn man ein Start-up gründet. Wenn es so nicht geht, wie geht es dann anders? Lösungsorientiertes Denken war ein zentraler, interdisziplinärer Inhalt des Studiums.
Wie kamen Sie an Investitionskapital für Ihr Start-Up?
Conrad: Es gibt das Exist-Gründerstipendium. Dort werden Studierende und Wissenschaftler an Hochschulen bei der Unternehmensgründung unterstützt. Wir selbst haben uns an mehreren Hochschulen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg dafür beworben. Anfangs sah alles sehr positiv aus, aber nach einem halben Jahr kam heraus, dass wir das Stipendium nicht bekommen, weil wir keine technisch-wissenschaftliche Kompetenz haben, also keinen Uni-Ingenieur im Team. Die Bewilligung war an einen solchen akademischen Abschluss geknüpft.
Ist das typisch deutsch?
Conrad: Ja, wir haben den Eindruck, in Deutschland zählt hauptsächlich die berufliche Fachkompetenz, insbesondere aus dem naturwissenschaftlichen Bereich, im Team. Ob die Idee wirklich gut ist, kommt an zweiter Stelle. Somit wird unterstellt, dass „Nicht-Techniker“ auch keine brauchbaren Produktideen haben und umsetzen können. Das sehen wir anders. Da wir anfangs noch ohne technische Kompetenz waren, weil Patrick erst seit November im Team ist, waren uns somit viele Wege versperrt. In USA steht die Idee im Vordergrund und dann wird geschaut, was machbar ist und welche Fachleistungen dazugekauft werden müssen. In Deutschland fehlt manchmal die Offenheit für Innovationen und freien Geist.
Sie haben dann doch noch Investoren gefunden?
Szkutnik: Da kam die ISB (Investitions- und Strukturbank in Mainz) ins Spiel. Unser Professor hatte die Kontakte nach Mainz. Überzeugen mussten wir das Gremium allerdings selbst. Bedingung war ein Firmensitz in Rheinland-Pfalz, um Arbeitsplätze im Land zu schaffen, aber auch innovative Geschäftsideen zu implementieren.
Die ISB hat Ihnen also den Start in die Selbständigkeit ermöglicht?
Conrad: Ja, darüber sind wir sehr froh und geben auch gerne etwas zurück. Nachher fahre ich zum Beispiel zu einer Start-up-Veranstaltung der Hochschule Worms und berichte dort über unsere Zusammenarbeit. Das mache ich gerne, denn ich möchte unsere Erfahrungen mit anderen zukünftigen Gründern teilen.
Haben Sie auch versucht, über Crowdfunding Investoren zu finden?
Conrad: Zum damaligen Zeitpunkt noch nicht. Wir hatten ja noch kein Produkt, um den „Schwarm zu locken“, eine Idee reicht da nicht. Wir stehen derzeit mit zwei großen Plattformen der Szene in Kontakt, aber es ist noch zu früh für Crowdfunding. Wir haben uns über das Interesse der Plattformen gefreut, denn das ist nicht selbstverständlich.
Was halten Sie von Crowdfunding?
Szkutnik: Crowdfunding galt lange als ideale Investitionsmöglichkeit für Start-ups. Aktuell ist die Methode aber etwas in Verruf geraten, da einige große Projekte gescheitert sind. Für uns ist es als Beimischung zur Gesamtfinanzierung eine echte Alternative, aber Kapital muss auch von klassischen Investoren eingebracht werden. Interessant ist das Modell mit Business Angels als Experten, die mit ihrer Erfahrung helfen, ein Unternehmen am Markt zu etablieren.
Wie konnten Sie Investoren überzeugen, dass Sie es ernst meinen?
Conrad: Ein großer Schritt in diese Richtung war, ganz für die Firma da zu sein, nicht nur nebenberuflich. Als Konsequenz haben Patrick und ich am 1. November bzw. am 30. Juni 2016 unsere jeweilige Stelle gekündigt.
Wie viel persönliches finanzielles Risiko mussten Sie eingehen?
Conrad: Wir haben uns vorgenommen, uns nie so zu verschulden, dass wir nicht mehr auf die Beine kommen. Aber eigene Investitionen sind nötig, auch um die Investoren zu überzeugen. Dementsprechend haben wir, neben unserer Arbeitskraft, bereits selbst einen mittleren fünfstelligen Betrag in das Unternehmen eingebracht.
Ein Start-up erfordert Mut, Kraft und hohe Motivation. Was treibt Sie an?
Szkutnik: Es ist die Freude, selbstbestimmt arbeiten und viel lernen zu können. Es ist ein anderes Arbeitsgefühl als früher. Sicher, das Ganze kostet viel Energie und Elan, aber das ist für mich im Moment so in Ordnung. Wir sind alle froh, diesen Schritt gegangen zu sein, denn die Arbeit macht uns riesigen Spaß.
Gab es einen Punkt, an dem Sie gesagt haben, bis hierhin und nicht weiter?
Conrad: Motivation hat ihre Grenzen. Der Punkt ist da, wenn es privat und finanziell nicht mehr funktioniert. Die Themen Gehalt und Lebenshaltungskosten mussten gesichert sein. Die Finanzierung sollte am 31. Dezember 2016 stehen. Aber: Die Finanzierung stand nicht. Dann kam ich selbst an den Punkt, von dem ich nicht geglaubt habe, dass wir dort einmal stehen würden. Meilenweit von der Finanzierung entfernt. Wieviel Risiko macht Sinn?
Sie gaben dem Unternehmen dann doch noch eine Chance?
Conrad: Ja, ich bzw. wir alle haben die Deadline ignoriert, weil wir an unsere Idee geglaubt haben und viel positive Rückmeldung bekamen. Trotzdem war die Phase zu Beginn des Jahres eine Durststrecke, die geprägt war von Stagnation. Es gab Tage, die waren zum Vergessen. Technik fiel aus, 3D-Bauteile funktionierten nicht oder es kamen Absagen von Investoren. Rückblickend war es gut, dass wir durchgehalten haben. Wir konnten die ISB überzeugen, in uns zu investieren und somit einen großen Schritt nach vorne gehen.
Rückblickend: Wie waren die ersten 1,5 Jahre?
Conrad: Seit August 2015 verfolgen wir die Idee ernsthaft, Mitte 2016 bin ich in Vollzeit eingestiegen. Es war eine sehr lehrreiche Zeit. Zwischen Businessplan an der Hochschule und Vorstellung des Projekts bei echten Investoren liegen Welten. Wir dachten, wir seien gut vorbereitet. Aber zwei, drei Fragen von gewieften Unternehmern haben uns gezeigt, dass wir an bestimmten Stellen noch nacharbeiten mussten.
Szkutnik: Diese Erfahrungen haben geholfen, uns zu verbessern und heute stehen wir wirklich gut da.
Haben Sie einen Rat, den Sie anderen Start-Ups mitgeben möchten?
Conrad: Nach meiner Kündigung sagte mein alter Chef zu mir „Geht raus und sprecht über eure Idee. Sprecht mit Kunden, Nichtkunden, holt euch Feedback. Redet! Nur im stillen Kämmerlein kommt ihr nicht voran!“ Und er hatte recht. Denn Feedback hilft, Ideen neu zu justieren. Das Kapselsystem für die Sonnencreme kam beispielsweise von außen. Kleine Hinweise, Bemerkungen, neue Ideen und Kritik brachten uns weiter. Angst vor Nachmachern haben wir keine. Denn wer unsere Idee kopieren möchte, muss erst einmal unseren bisherigen Weg gehen. Das heißt nicht, dass wir jedem unser Know-how präsentieren. Wir schützen uns z. B. auch mit Geheimhaltungsvereinbarungen. Offene Kommunikation und viel Netzwerken bietet jedoch unter dem Strich mehr Chancen als Risiken.
Ich habe Spaß an der Aufgabe, unsere SOFTTECH-Produkte öffentlichkeitswirksam ins rechte Licht zu rücken. Dazu gehört zielgruppenspezifisches Marketing, aber auch die entsprechende Pressearbeit.
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