Die HOAI ist seit Jahrzenten bei Architekten und Ingenieuren ein sehr beliebtes Instrument zur Bestimmung des Honorars sowie des Leistungsumfangs. Sie war bisher für diese Berufsgruppen das verbindliche Preisrecht für Planungsleistungen im Bauwesen.
Vor allem bei der EU-Kommission stand dieses zwingende Preisrecht allerdings in der Kritik, da es gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit der EU verstoßen würde. Daher leitete sie 2016 ein entsprechendes Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein.
Am 04.07.2019 hat der EuGH sein Urteil im HOAI-Vertragsverletzungsverfahren (AZ.: C-377 /17) verkündet. Der EuGH hat geurteilt, dass die HOAI hinsichtlich ihrer verbindlichen Mindest- und Höchstsätze gegen die Dienstleistungsrichtlinie aus dem Jahr 2006 verstößt. Dies wird damit begründet, dass Planungsleistungen auch von Dienstleistern erbracht werden können, die nicht der berufsständischen Aufsicht der Architekten- oder Ingenieurkammern unterliegen. Damit sei das deutsche System der HOAI hinsichtlich der Mindestsätze inkohärent. Außer den bereits benannten Regelungen zu den Mindest- und Höchstsätzen hat der EuGH keine weiteren Regelungen der HOAI beanstandet.
Nein! Das Urteil des EuGH betrifft nur die Regelung der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI, die bisher nicht unter- bzw. überschritten werden durften.
Die übrigen Regelungen der HOAI bleiben nach wie vor anwendbar. Dies gilt insbesondere für die diversen Leistungsbilder. Sofern diese Leistungsbilder vertraglich vereinbart wurden bzw. zukünftig vereinbart werden, sind diese wirksamer Vertragsbestandsteil.
In diesen Fällen führt das Urteil des EuGHs sehr wahrscheinlich nicht zu einer Änderung der Rechtslage. Die Parteien haben sich in diesem Fall auf ein Honorar geeinigt, welches ohnehin nicht in dem bisherigen Verbotsrahmen unter- bzw. oberhalb der Mindest- bzw. Höchstsätze liegt.
Hinsichtlich der vertraglichen Haupt- und Nebenleistungspflichten, abgesehen von der Honorarvereinbarung, bleiben die Verträge weiterhin wirksam. Bei den in diesen Verträgen geschlossenen Honorarvereinbarungen sind zwei Fälle denkbar:
Es ist grundsätzlich auch vorstellbar, dass Architektenverträge ohne Honorarvereinbarung geschlossen werden (z.B. bei mündlichen Verträgen). Derzeit ist noch umstritten, wie sich das Urteil des EuGH auf diese Verträge auswirkt. Dabei ist vor allem fraglich, ob das Urteil des EuGH auch die Regelung des § 7 Abs. 5 HOAI betrifft.
Nach dieser Vorschrift gilt bei Verträgen, die keine Regelung zum Honorar treffen, die unwiderlegbare Vermutung, dass in diesem Fall der Mindestsatz als vereinbart feststeht.
Man kann hierzu vertreten, dass diese Vorschrift nicht gegen das Europarecht bzw. das Urteil des EuGH verstößt und damit weiter Anwendung findet (so auch Fuchs, IB R 2019, 2962). Die Vertragsparteien sind durch diese Vorschrift nämlich nicht gehindert, abweichende Vereinbarungen zu treffen. Gegen das Europarecht verstößt dagegen nur die zwingende Vorgabe von Mindest- und Höchstsätzen. Den vorbenannten Auffangtatbestand in § 7 Abs. 5 HOAI hat der EuGH in seinem Urteil dagegen gerade nicht erwähnt.
Auf der anderen Seite könnte man vertreten, dass durch eine Anwendung der Vorschrift des § 7 Abs. 5 HOAI der Rechtsgedanke des Urteils umgangen würde. Verbindliche Mindestsätze widersprechen, wie zuvor beschrieben, dem geltenden EU-Recht. Dann kann sich die Vermutung nicht mehr wirksam auf diesen unwirksamen Mindestsatz beziehen, sondern es muss z.B. die ortsübliche Vergütung herangezogen werden.
Wie sich die Gerichte sich in dieser Hinsicht positionieren werden, bleibt abzuwarten.
Zukünftig abgeschlossene Verträge werden hinsichtlich der Leistungsseite (Haupt -und Nebenleistungspflichten) wirksam sein, auch wenn sich diese an der HOAI orientieren bzw. diese explizit vereinbaren. Bezüglich der Honorarvereinbarungen sollten jedoch Anpassungen vorgenommen werden.
Die Parteien sind nunmehr bis zu einer etwaigen Neuregelung der HOAI grundsätzlich frei, ihr Honorar abweichend von den Regelungen der HOAI (insbesondere der Mindest- und Höchstsätze) zu vereinbaren. Selbstverständlich können die Parteien dabei auch freiwillig ein Honorarberechnungsmodell vereinbaren, das dem jetzigen Kostenberechnungsmodell der HOAI entspricht.
Dabei sollte allerdings darauf geachtet werden, dass die Honorarvereinbarung schriftlich bei Auftragserteilung geschlossen wird. Dahingehend ist die Rechtsprechung im Einzelfall sehr strikt, so dass nach wie vor dem Vertragsschluss besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.
Sofern das vereinbarte Honorar unter den bisherigen Mindestsätzen der HOAI liegen sollte, kann der Architekt bzw. Ingenieur die bisher zwingend vorgeschriebenen Mindestsätze der HOAI allerdings nicht mehr erfolgreich einklagen (vgl. Ausführungen zuvor).
In Vergabeverfahren der öffentlichen Hand dürfte der Auftraggeber nunmehr ein Angebot nicht mehr ausschließen, wenn es die Mindest- oder Höchstsätze der HOAI unter- bzw. überschreitet.
Derzeit gibt es noch keine Stellungnahme des Gesetzgebers, wie er die HOAI an die neuen Vorgaben des EuGH anpassen möchte. Er ist nunmehr aber zum Handeln gezwungen.
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