In der Praxis steht der Architekt nicht selten vor dem Dilemma, dass seine Planung zwar den anerkannten Regeln der Technik, nicht aber den Wünschen des Bauherren entspricht. Was aber passiert, wenn der Architekt dem Druck des Bauherrn nachgibt und die Planung ändert? Realisiert sich aus der Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik ein Schaden, stellt sich die Frage, ob der Architekt dafür haftet oder der Mangel zu Lasten des Bauherrn geht?
Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az.: 23 U 32/13) und im Anschluss der Bundesgerichtshof (Az.: VII ZR 224/13 – Nichtzulassungsbeschwerde am 12.03.2015 zurückgewiesen) hatten sich mit einem solchen Sachverhalt auseinanderzusetzen: Der Architekt hatte die Sanierung der Balkone fehlerhaft geplant. Der Bauherr war vorab mit der Art und Weise der Sanierung einverstanden. Nach der Sanierung traten weitere Schäden auf. Die Sanierung hatte nur das Symptom, nicht aber die Ursache (Eindringen von Wasser) beseitigt. Hinzu kamen Ausführungsfehler des Handwerkers. Der Architekt haftet voll auf Schadensersatz.
Der Architekt hatte sich auf das Einverständnis des Bauherrn mit der Art und Weise der Sanierung berufen und die Ansicht vertreten, durch dieses Einverständnis nicht mehr gegenüber dem Bauherrn zu haften. Dieser Ansicht erklärt das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Verweis auf den funktionalen Mangelbegriff (BGH Urteil vom 29.09.2011 Az.: VII ZR 87/11) eine deutliche Absage:
"Welche Beschaffenheit eines Werks die Parteien vereinbart haben, ergibt sich aus der Auslegung des Werkvertrags. Zur vereinbarten Beschaffenheit [...] gehören alle Eigenschaften des Werks, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll. Der BGH hat deshalb [...] eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit angenommen, wenn der mit dem Vertrag verfolgte Zweck der Herstellung eines Werks nicht erreicht wird und das Werk seine vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion nicht erfüllt [...]. Das gilt unabhängig davon, ob die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben. Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart nicht zu erreichen, schuldet der Unternehmer die vereinbarte Funktionstauglichkeit [...]."
Der Architekt wäre allenfalls dann von seiner Haftung befreit, wenn er den Bauherrn auf die Risiken und Folgen seiner Sanierungsplanung hingewiesen hätte und der Bauherr die Bedeutung und Tragweite des Risikos erkannt hätte und trotz der Risiken mit der Planung des Architekten einverstanden gewesen wäre.
Für die Praxis:
Jeder kennt den plakativen Spruch zum funktionalen Mangelbegriff: „Ein Dach muss dicht sein!“. Selbst wenn ich mich bei der Planung und Ausführung exakt an die vertraglichen Vereinbarungen halte, hafte ich unter Umständen wegen der fehlenden Funktionalität. Ein Dach, welches zwar den vertraglichen Vereinbarungen entspricht, aber undicht ist, bleibt mangelhaft.
Um aus der Haftung herauszukommen empfiehlt es sich also dringend, den Bauherrn nachweisbar und unmissverständlich auf die Risiken und die Folgen der Risiken hinzuweisen. Verlangt der Bauherr also ein Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik, dann schildern Sie ihm schriftlich die Risiken sowie die möglichen Folgen und lassen es sich von ihm ausdrücklich bestätigen, dass Sie trotz der Risiken und Folgen weiterhin entgegen den anerkannten Regeln der Technik planen sollen.
ACHTUNG: Werden durch den Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik Leib und Leben eines anderen Menschen gefährdet, gilt der Haftungsausschluss nicht. Vielmehr könnten Sie sich der Baugefährdung nach § 319 StGB strafbar machen, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren geahndet wird.
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